Zurück zur ÜbersichtIdealtypischer Prozess - Finanzierungskonzept
Verfasser: Prof. Dr. Wolfgang Schlicht
Stand: Juni 2021
Auf dem Weg zu einer bewegungsförderlichen Kommune
Die Umsetzung von Maßnahmen und Projekten kostet Geld. Frau Müller und Herr Maier können nur einen Teil der Kosten über Mittel aus dem kommunalen Haushalt abdecken. Im 6. Schritt „Finanzierungskonzept“ erfahren Frau Müller und Herr Maier, welche Förderquellen es noch gibt, wie sie mögliche Geldgeber ansprechen können und worauf sie beim Erstellen eines Finanzierungsplans achten müssen.
Inhalt
Um in einer Kommune gesundheits- und bewegungsförderliche Strukturen auf- und auszubauen, werden Personal- und Sachmittel (z. B. Büroausstattungen für die Steuerungsgruppe, geplante Maßnahmen und Aktivitäten) benötigt. Geld, Sachmittel und andere Arten von Unterstützung (z. B. Wissen, Kompetenzen) aus unterschiedlichen Quellen und in unterschiedlicher Höhe zu beschaffen, ist eine andauernde Managementaufgabe. Für eine Vortragsreihe über die Bedeutung von körperlicher Aktivität im Alter für die Gesundheit sind Mittel häufig einfacher zu beschaffen als für Maßnahmen, mit denen die gebaute Umwelt einer Kommune umgestaltet werden soll (z. B. einen Belag auf öffentlichen Plätzen zu verlegen, der das Sturzrisiko reduziert), da diese ein sehr viel höheres Finanzierungsvolumen benötigen.
Das Management und die strategische und planerische Arbeit in der Steuerungsgruppe (z. B. zur Durchführung von Workshops zur Leitbildentwicklung oder zu Befragungen in der Ist-Analyse) könnte die Kommune aus Haushaltsmitteln finanzieren. Ressourcen könnten aber auch von Stiftungen, vom Bund, aus der Ressortförderung von Landesministerien oder von Krankenkassen und aus weiteren Quellen gewährt werden.
Die fehlende Finanzierung von gesundheits- und bewegungsförderlichen Strukturen ist oftmals der Hauptgrund für ein Scheitern der Umsetzung. Es gilt also, sowohl vorhandene als auch neue Finanzierungsmodelle zu nutzen oder zu erschließen.
Wenn Sie dem idealtypischen Prozess der Entwicklung zur bewegungsförderlichen Kommune gefolgt sind, haben Sie die politisch und administrativ Verantwortlichen in der Kommune für dieses Ziel gewinnen können. Dann wären Sie einen weiteren wichtigen Schritt gegangen, um gemeinsam mit den Mitgliedern der Steuerungsgruppe eine Umsetzung zu erarbeiten.
Der Gemeinderat, der über den Haushalt der Kommune entscheidet, wird der Steuerungsgruppe vermutlich kein pauschales Budget zuweisen, das sie nach Gutdünken verausgaben darf. Mittel fließen meist auf der Grundlage eines Finanzierungskonzepts, in dem die Ausgaben für Personal- und Sachmittel begründet werden und der Mittelzufluss zeitlich gestaffelt wird. Einzelmaßnahmen, die sich aus dem Planungsmodell ergeben, könnten gesondert finanziert werden. Auch dazu braucht es ein Finanzierungskonzept.
Dem Ziel der bewegungsförderlichen Kommune dienen auch Haushaltsmittel für die Anlage und Pflege von Radwegen und Grünanlagen, die Beschattung von öffentlichen Plätzen und alle weiteren Mittel für die Gestaltung des öffentlichen Raums, die körperliche Aktivität direkt oder indirekt erleichtern.
Bei der Komplexität des Vorhabens werden vermutlich mehrere Förderquellen benötigt. Wer könnte – neben der Kommune aus dem Haushalt – zusätzliche Finanzmittel gewähren?
- Der Bund und die Bundesländer unterstützen kommunale Gesundheitsförderung in der Absicht, die gesundheitliche Chancengleichheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Bundes- und Landesmittel sind meistens ressortgebunden. Für die bewegungsförderliche Kommune sind neben der Gesundheits- oder Sozialministerien auch die Verkehrsministerien oder Ministerien, die Mittel für Städte und Gemeinden bereitstellen, um alten-freundliche kommunale Umwelten zu schaffen, interessante Adressen.
Der Bund, die Bundesländer und Stiftungen schreiben Programm- und Projektmittel aus.
Auch der Europäische Sozialfond (ESF) fördert Vorhaben. - Stiftungen, die zum Beispiel im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft organisiert sind, fördern in der Regel zeitlich begrenzte Maßnahmen in einem thematisch eingegrenzten Aufgabenbereich (Projekte). Das strategische Vorgehen, um eine Kommune bewegungsförderlicher zu gestalten, ist aber langfristig angelegt. Stiftungen mit einem großen „Kapitalstock“, wie die Robert Bosch Stiftung, die Volkswagenstiftung oder die Landesstiftung Baden-Württemberg, fördern auch Programme, die sich über Jahre erstrecken. Sie fördern auch den Auf- und Ausbau von Strukturen (z. B. Stellen), die sicherstellen sollen, dass sich eine Kommune der Bewegungsförderung älterer Menschen nachhaltig annimmt.
- Die gesetzlichen Krankenkassen sind gesetzlich legitimiert und explizit aufgefordert, einen Anteil ihrer Versichertengelder für die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten zu investieren. Die Finanzierung ist an dezidierte Qualitätsanforderungen geknüpft, die in einem Leitfaden festgehalten sind 1. In dem wird sowohl das Handlungsfeld Bewegung als auch die Zielgruppe ältere Menschen genannt. Auch die privaten Krankenkassen engagieren sich in der Bewegungsförderung älterer Menschen ab dem 60. Lebensjahr.
Kontaktieren Sie private oder gesetzliche Krankenkassen und/oder suchen Sie auf der Website des GKV-Bündnisses nach passenden Ausschreibungen für Projekte zur kommunalen Gesundheitsförderung. - Haben Sie eine Hochschule in Ihrer Nähe, könnten Sie Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler einladen, zu kooperieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchen Verbündete, um Feldforschung zu betreiben (z. B. Reallabore 2). Neben Expertinnen und Experten der Gesundheitswissenschaften sind solche aus den Alternswissenschaften (Gerontologie/Geriatrie), der Architektur und Stadtplanung, der Mobilitäts- und Verkehrswissenschaften, der Politik-, Sozial- und Sportwissenschaften und der Humangeographie thematisch passende Forschungspartnerinnen oder -partner.
- Sie könnten auch aktiv auf Sponsorinnen und Sponsoren zugehen (Fundraising). Zum Beispiel schütten die Kreissparkassen Gelder für gemeinnützige Programme und Projekte aus. Potenzielle Förderer sind im lokalen Raum zu identifizieren und zu überzeugen, was zeitlich und personell aufwändig sein kann. Risiken können mögliche Abhängigkeiten und Interessenskonflikte sein.
Mögliche Geldgebende fördern in der Regel Projekte und seltener nachhaltige Programme. Daher wäre es zielführend, Sie motivierten die kommunalen Gremien, Ihnen eine Grundausstattung für die strategische Arbeit in der Steuerungsgruppe zu gewähren.
Kalkulieren Sie die jährlichen Kosten für die Arbeit in der Steuerungsgruppe. Das schließt den Bruttolohn für
- Sie und Ihre Mitarbeitenden;
- Arbeiten, die in der Steuerungsgruppe anfallen, wie Ist-Analysen, Öffentlichkeitsarbeit über Werbung und Verbreitung von Materialien, Raumnutzung und
- ggfs. auch externe Dienstleistungen ein.
Das Budget sollte nach Personal- und Sachkosten aufgeschlüsselt, die einzelnen Positionen sollten begründet und der Mittelfluss über das Jahr verteilt werden. Kalkulationen überzeugen, wenn sie nachvollziehbar und realistisch sind. Auf keinen Fall sollten Sie zu knapp kalkulieren, denn Nachforderungen sind nur schwer durchsetzbar.
Für Maßnahmen und Aktivitäten (inputs), die mithilfe des Planungsmodells erarbeitet wurden, sollte ebenfalls ein Budget kalkuliert werden. Weil manchmal andere Maßnahmen dringlicher erscheinen als der Auf- und Ausbau bewegungsförderlicher Strukturen, werden zur Finanzierung (meistens) zusätzliche Quellen benötigt. Im Infomaterial „Finanzierungsmöglichkeiten“ finden Sie passende Förderquellen für Ihre Vorhaben.
GKV Spitzenverband (2020): Leitfaden Prävention. GKV Spitzenverband, Berlin [Internet]. [zitiert 11. Juni 2021].
Verfügbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention__selbsthilfe__beratung/praevention/praevention_leitfaden/2021_Leitfaden_Pravention_komplett_P210177_barrierefrei3.pdf
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi):. Reallabore – Testräume für Innovation und Regulierung [Internet]. [zitiert 11. Juni 2021].
Verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/reallabore-testraeume-fuer-innovation-und-regulierung.html
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