Zurück zur ÜbersichtIdealtypischer Prozess - Bestands- und Bedarfsanalyse (Ist-Analyse)

Prozessbegleitung

Verfasser: Prof. Dr. Wolfgang Schlicht

Stand: Juni 2021


Auf dem Weg zu einer bewegungsförderlichen Kommune

Um ihre Maßnahmen zur Bewegungsförderung richtig planen und auf die Bedürfnisse älterer Menschen abstimmen zu können, führen Frau Müller und Herr Maier vorher eine Bestands- und Bedarfsanalyse durch. Dadurch wollen sie beispielsweise erfahren, wie viele ältere Menschen es in ihrer Kommune gibt, was diese brauchen und welche Bewegungsangebote bereits vorhanden sind. Im 4. Schritt „Ist-Analyse“ erfahren Frau Müller und Herr Maier, welche Daten für sie von Interesse sein können und wie sie die Daten erhalten.

Inhalt

Ausgangspunkt für die weitere Planung und auch für die spätere Evaluation sollte eine fundierte Kenntnis der Ausgangssituation (Ist-Analyse) der Kommune unter Berücksichtigung von Bedarfen und Bedürfnissen sein.

Die Ergebnisse einer Bestands- und Bedarfsanalyse zeigen, welche Programme, Maßnahmen und Aktivitäten in einer Kommune idealerweise umgesetzt werden müssten, damit ältere Menschen aktiv und mobil sein können. Gesundheitsförderung ist kein Selbstzweck, sondern basiert auf Daten und Fakten, die Auskunft darüber geben, wie es um die Bewegungsfreundlichkeit Ihrer Kommune bestellt ist. Das reicht vom Idealzustand über geringfügigen Anpassungsbedarf bis hin zu umfangreichem Eingriffspotenzial, um ältere Menschen zu mehr körperlicher Aktivität zu motivieren.

Ein einzelner Messwert (Indikator), mit dem sich der Grad der Bewegungsfreundlichkeit einer Kommune bewerten lässt, existiert nicht. Es gibt verschiedene Merkmale, die mit einer erhöhten körperlichen Aktivität der Bewohner und Bewohnerinnen verbunden sind: Ein vernetztes Wegenetz des Siedlungsgebiets, das Vorhandensein und die Zugänglichkeit von Fuß-, Radwegen, Parks und Grünanlagen und die fußläufige Erreichbarkeit von wichtigen Zielen, um den täglichen Bedarf zu decken. Ebenso dazu gehört die subjektiv empfundene Sicherheit, sich im öffentlichen Raum risikoarm bewegen zu können. Auch Bewegungsangebote für ältere Menschen sind Indikatoren einer bewegungsförderlichen Kommune1. Übersichtsarbeiten zur Urban Health listen Merkmale für eine gesunde Kommune, darunter auch einige, die für die Bewegungsförderung einschlägig sind (z. B. schadstoffarme Luft) 2.

Damit Interventionen geplant, Programme, Maßnahmen und Aktivitäten gesteuert werden können, braucht es zuverlässige Daten zu den Stärken oder Potenzialen45 und den Bedarfen der Kommune sowie zu den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung. Diese Daten sind nicht immer aus Datenbanken abrufbar, vielmehr steht systematische und geordnete Recherchearbeit an.

Es gibt drei Ansätze einer Intervention, die ausführlich im Schritt „Handlungsziel- und Strategieentwicklung“ beschrieben werden:
(1) Kommune als Lebenswelt

(2) spezifische Settings in der Kommune

(3) Zielgruppe der älteren Menschen

 

Mit Blick auf die drei Interventionsansätze könnte die Ist-Analyse Daten erfassen, die folgendermaßen kategorisiert sind:

  • Bauliche Struktur und räumliche Beschaffenheit der Kommune (bauliche Umwelt) (Tabelle 1)
  • Soziale Werte, Haltungen und Einstellungen der Bürgerschaft (soziale Umwelt) (Tabelle 2)
  • Angebote und Möglichkeiten, als älterer Mensch aktiv zu sein (Stärken und Potentiale) (Tabelle 3)
  • Gesundheitlicher Status, Einstellungen, Verhalten und Bedürfnisse der älteren Menschen (Tabelle 4)

Für die Ist-Analyse sind nur Daten wichtig,  die den Grad der körperlichen Aktivität  beeinflussen (determinieren) 17.  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 8Determinanten analysiert, die körperliche Aktivität (k. A.) im Alter mitbedingen und – das ist maßgeblich – sich verändern lassen. In den Tabellen 1-6 sind potentielle Determinanten der körperlichen Aktivität der oben genannten Kategorisierung für die Ist-Analyse zugeordnet.

Tabelle 1: Bauliche Struktur und räumliche Beschaffenheit der Kommune (bauliche Umwelt)

DeterminanteWirkrichtungDaten
 
  • Parkanlagen
  • Rad- und Fußwege
  • Fußläufig erreichbare Dienstleistungen (z. B. Geschäfte, Ämter, med. Dienstleistungen)
  • Subjektives Gefühl der Sicherheit (z. B. Verkehrsunfälle,  kriminelles Vergehen)
 
 
  • Bewegungsförderliche Umweltmerkmale
 
 
  • Ergebnisse aus Audits, Befragungen oder Bürgerbeteiligungsverfahren
  • Erhebungsdaten (Auskunft bei bestimmten Ämtern)
 

Wie gelange ich an die Daten?

Mögliche Quellen für die genannten Determinanten sind zum Beispiel Nahversorgungsberichte der Kommune/des Landkreises oder der kreisfreien Stadt (Auskunft bei kommunaler Statistikstelle, Stadtforschung oder Bau-, Stadt- und Raumforschung). Zudem kann eine Anfrage beim Verkehrsamt, Amt für Umweltschutz, Stadtplanungsamt, Grünflächenamt und/oder Tiefbauamt hilfreich für Informationen zur baulichen Umwelt sein. Subjektive Ansichten von Bürgerinnen und Bürgern der Kommune oder des Quartiers erhalten Sie beispielsweise durch die Durchführung von Audits, Befragungen oder Bürgerbeteiligungsverfahren.

Tabelle 2: Soziale Werte, Haltungen und Einstellungen der Bürgerschaft (soziale Umwelt)

DeterminanteWirkrichtungDaten
Überzeugungen zu den positiven und negativen Auswirkungen von körperlicher Aktivität (subjektiv wahrgenommene Umwelt)Überzeugungen, dass körperliche Aktivität die Gesundheit im Alter sichert und fördert, geht mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität einherErhebungs- oder Interviewdaten einer möglichst repräsentativen Stichprobe
Soziale UnterstützungZuspruch von Freunden, der Familie und Anerkennung für einen aktiven Alltag wird als belohnend empfunden und geht mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität einherErhebungs- oder Interviewdaten einer repräsentativen Stichprobe
HundebesitzHundebesitz geht mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität einherZahl der Hunde in der Altersgruppe der älteren Menschen in der Kommune

Wie gelange ich an die Daten?

Um Überzeugungen oder soziale Unterstützung zu erheben, können Befragungen oder Interviews mit den Bürgerinnen und Bürgern der Kommune notwendig sein. Die Anzahl der älteren Hundehalterinnen und Hundehalter, kann über eine Anfrage beim Steueramt der Kommune ermittelt werden.

Tabelle 3: Angebote und Möglichkeiten, als älterer Mensch aktiv zu sein (Stärken und Potentiale)

DeterminanteWirkrichtungDaten
(Gruppen)angeboteGruppen mit Teilnehmenden aus ähnlichen Altersklassen motivieren zur Teilnahme an Angeboten zur körperlichen Aktivität

Erhebungsdaten (Auskunft bei bestimmten Einrichtungen)

Zugänglichkeit zu Sportstätten und SportangebotenAltersangepasste Angebote motivierenErhebungsdaten (Auskunft bei bestimmten Einrichtungen)

Wie gelange ich an die Daten?

Die Anzahl und Art der Gruppenangebote für ältere Menschen in der Kommune oder im Quartier können Sie zum Beispiel bei (Sport-)Vereinen, Volkshochschulen, kirchlichen Trägern, Seniorenverbänden und Fitnessstudios erfragen.

Tabelle 4: Gesundheitlicher Status

DeterminanteWirkrichtungDaten
Körperliche Verfassung (z. B. Body-Mass-Index, Behinderung, Beeinträchtigung, Gesundheits- und Fitnesszustand)Multimorbidität, Mortalität, Beeinträchtigung und Behinderung reduzieren den Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität

Inzidenz, Prävalenz, Mortalität, Letalität chronisch degenerativer Erkrankungen in der Altersgruppe

Wie gelange ich an die Daten?

Um die jeweiligen Daten zu den Determinanten der körperlichen Verfassung zu erfassen, lohnt sich ein Blick in unterschiedliche Quellen. In der Krankheitslage Deutschland werden Häufigkeiten ausgewählter Erkrankungen unter allen Einwohnenden in verschiedenen Regionen Deutschlands abgebildet. In der Gesundheitsberichterstattung (GBE) des Bundes und der Länder wird in laienverständlicher Form der Gesundheitszustand der Bevölkerung im Sozialraum beschrieben. Im Gesundheitsatlas (für Kommunal-, Kreis- und Regionalebene) stellen eine Anzahl an Landesvereinigungen für Gesundheit Daten zur Bevölkerung, der medizinischen Versorgung, dem Gesundheitszustand und/oder der Gesundheitsförderung und Prävention zur Verfügung. Der Regionalatlas der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder visualisiert regionale Besonderheiten für alle Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands zu verschiedenen Themen u. a. das Thema Gesundheits- und Sozialwesen.

Tabelle 5: Einstellungen, Verhalten und Bedürfnisse älterer Menschen

DeterminanteWirkrichtungDaten
Aktuelles Volumen der körperlichen AktivitätGewohnheitsmäßiges Aktivsein ist ein zuverlässiger Prädiktor für den zukünftigen Grad der körperlichen AktivitätErhebungs- oder Interviewdaten einer möglichst repräsentativen Stichprobe; nationale Statistiken und Veröffentlichungen
AltersselbstbildEin negatives Altersselbstbild (d. h. Alter wird als Lebensphase der Beschwernis, der funktionalen Einbußen wahrgenommen etc.) ist mit einem geringeren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität assoziiertBefragungs- oder Interviewdaten einer möglichst repräsentativen Stichprobe; nationale Statistiken und Veröffentlichungen
EinstellungenPositive Meinungen und ein positives Gefühl sind mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität assoziiertBefragungs- oder Interviewdaten einer möglichst repräsentativen Stichprobe; nationale Statistiken und Veröffentlichungen
LebenszieleZukunftsorientierung, die darauf gerichtet ist, das Erreichte zu sichern und das erworbene Wissen und die Erfahrungen an jüngere Menschen weiterzugeben, gehen mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität einherErhebungs- oder Interviewdaten einer möglichst repräsentativen Stichprobe; nationale Statistiken und Veröffentlichungen
GesundheitsbildungDas Wissen um eine gesundheitsförderliche Lebensweise motiviert zu einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen AktivitätErhebungs- oder Interviewdaten einer repräsentativen Stichprobe; nationale Statistiken und Veröffentlichungen

Wie gelange ich an die Daten?

Die Daten können über Erhebungen oder eigene Literaturrecherchen in wissenschaftlichen Datenbanken erfasst werden. Dabei können wissenschaftliche Einrichtungen, Institutionen oder Universitäten und Fachhochschulen Sie häufig unterstützen.

Tabelle 6: Soziodemographische Daten und demographische Entwicklung

DeterminanteWirkrichtungDaten
Sozialdemographische DatenEin niedriger Deprivationsindex ist mit einem höheren Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität assoziiertSozioökonomischer Status z. B. über Deprivationsindex
Beschäftigungs-, und/oder AktivitätsstatusBerufliche Tätigkeit führt zu höherem Aktivitätsvolumen um den Beruf (Pendeln zur Arbeitsstätte, berufliche Aktivität); Berentung führt zu höherem Volumen an ehrenamtlichen FreizeitaktivitätenAnzahl der (noch) Berufstätigen; Anzahl der ehrenamtlich Aktiven

Wie gelange ich an die Daten?

Informationen über den sozioökonomischen Status können in verschiedenen Quellen recherchiert werden. Der Deprivations­index (German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD)) bildet regionale Unterschiede in Bezug auf den sozioökono­mischen Status ab. Er wird für die Nutzung in der Forschung und Gesundheitsberichterstattung des Bundes und der Länder bereitgestellt und soll der Analyse des Zusammenhangs von sozialer Ungleichheit und Gesundheit dienen. Der Wegweiser Kommune informiert über demographische Entwicklungen in den Kommunen. Die dort vorhandenen Daten decken die Themenbereiche Demographischer Wandel, Bildung, Finanzen, Integration, Nachhaltigkeit, Pflege, Soziale Lage und Wirtschaft & Arbeit ab. Weitere relevante Quellen sind die Landesdatenbanken Statistik, das Gemeindeverzeichnis-Online, die Regionaldatenbank, der Regionalatlas, GENESIS-Online und das Statistikportal.

Bedürfnisse der Zielgruppe gehören ebenfalls zu einer Ist-Analyse. Interessant sind solche, die unabhängig vom Lebensalter wirken. Das sind die Bedürfnisse nach Selbstwertschutz, sozialem Anschluss und Autonomie. Menschen wollen im Alter respektiert und geachtet werden. Sie wollen sich mit anderen Menschen austauschen und ihre Umwelt und ihr Leben selbstverantwortet kontrollieren.

Ihre Bestands- und Bedarfsanalyse könnte die hier aufgelisteten Komponenten bzw. eine Auswahl davon enthalten:

Im Folgenden werden alle Komponenten kurz erklärt.

Demographische Beschreibung der Zielgruppe der älteren Menschen

Sie könnten die Ist-Analyse mit der Beschreibung der Zielgruppe der älteren Menschen beginnen:

  • Kommunale Statistiken informieren beispielsweise über den Altenquotienten. Der drückt das Verhältnis der in der Kommune lebenden 65-jährigen und älteren Menschen zu 100 Personen der erwerbstätigen Bevölkerung (20 bis unter 65 Jahre alt) aus. Die amtlichen Statistiken informieren, ob eine Kommune auffällig altert, ob also der Altenquotient im Vergleich zu anderen Kommunen aus dem Rahmen fällt oder ob er sich in der üblichen Größenordnung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung vergleichbarer Kommunen bewegt.
  • Ermitteln könnten Sie neben der bloßen Verteilung von Altersgruppen auch, wie viele ältere Menschen in Ihrer Kommune alleine leben (hier sind die Meldezahlen, die das Einwohnermeldeamt führt, eine zuverlässige Quelle).

In jedem Falle ist zu empfehlen, Daten nach Alterskohorten zu trennen, da ältere Menschen keine homogene Gruppe bilden. Gerade im Alter ist die psychische und körperliche Gesundheit höchst unterschiedlich. Vor allem chronisch degenerative Erkrankungen nehmen im Alter zu, die funktionelle Tüchtigkeit nimmt ab und Umwelt (z. B. Hitze) belastet und beansprucht in der Hochaltrigkeit stärker als im jungen Alter. Für die Trennung der Kohorten könnten Sie sich an den üblichen Einteilungen der Gerontologie orientieren. Die Alternswissenschaften unterscheiden die Älteren (65 bis unter 80 Jahre) von den Hochaltrigen“ (80 Jahre und älter) 11. Auch die Daten von Frauen und Männern können Sie trennen. Im Durchschnitt nimmt der Intensitätsgrad der Aktivität mit dem Alter ab, die Zeit, die sitzend verbracht wird, nimmt zu und ältere Frauen sind im Alltag (Garten und Haushalt) aktiver, in der Freizeit aber weniger aktiv als Männer.

Daten zum Gesundheitsstatus der Zielgruppe der älteren Menschen

Wichtig für die Ist-Analyse sind auch Daten, die über den Gesundheitsstatus der Zielgruppe informieren (sogenannte epidemiologische Endpunkte).

Folgende Fragen sollten Sie beantworten können:

  • Wie hoch sind die 12-Monatsprävalenzen der nicht-ansteckenden chronisch-degenerativen Erkrankungen (z. B. Diabetes Typ 2, Koronare Herzerkrankungen, psychische Erkrankungen) in der Zielgruppe und den Untergruppen?
  • Wie viele Krankheitsfälle kommen jährlich hinzu (Inzidenzen)?

Woher bekommen Sie diese Daten? Daten zur Inzidenz und Prävalenz sind für die untere kommunale Ebene (Städte und Gemeinde) leider nur lückenhaft verfügbar. Meistens sind sie nur für Landkreise oder kreisfreie Städte aus öffentlich zugänglichen Datenbanken der Landes- und Kreisgesundheitsämter abrufbar 12.

Daten zur aktuellen Lebenslage der Zielgruppe der älteren Menschen

Für den Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität ist neben Alter und Geschlechtszugehörigkeit auch die Lebenslage der Zielgruppe bedeutsam. Folgende Fragen sollten Sie sich stellen:

  • Wie hoch ist der Anteil jener, die von Grundsicherung leben?
  • Wie viele müssen ambulant pflegerisch betreut werden?

Woher bekommen Sie diese Daten?  Wenn Sie Zeit und Geld investieren können und möchten, könnten Sie mit Hilfe des Einwohnermeldeamts eine stratifizierte (nach Gruppen geordnete) repräsentative Stichprobe aus der Zielgruppe der älteren Menschen ziehen, um zur Lebenslage Daten zu erhalten. Bitten Sie die Mitglieder der Stichprobe (anonymisiert und pseudonymisiert) um Auskunft zu ihrer Lebenslage. Vielleicht wirken in der Steuerungsgruppe oder an anderer Stelle in Ihrer Kommune sozialwissenschaftlich erfahrene Menschen, die Sie gewinnen können, damit eine Befragung zuverlässige Daten liefert.

Befragung zu Selbstwertschutz, Sozialer Anschluss und Autonomie der Zielgruppe der älteren Menschen

Mit der Befragung zur Lebenslage könnten Sie zugleich die drei Bedürfniskategorien Selbstwertschutz, Sozialer Anschluss und Autonomie erfassen. Sie könnten beispielsweise fragen, was sich die Personen der Zielgruppe an Aktivitätsmöglichkeiten, -angeboten und -räumen wünschen und warum sie meinen, dass sie damit ihre Bedürfnisse befriedigen. Auf diese Weise  erhalten Sie wichtige Erkenntnisse zum Wohlbefinden Ihrer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger. Solche Befragungen verraten nicht nur, wie eine Person ihre Bedürfnislage beurteilt, sondern auch was sie tun will, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Analyse der Stärken und Potentiale der Kommune

Es bleibt, die Stärken oder Potentiale  der Kommune zu sammeln und zu beurteilen, die im Zusammenhang mit der körperlichen Aktivität der Zielgruppe stehen. Die Potentiale können helfen, die ältere Bevölkerung zu motivieren, aktiver zu werden oder sie können leicht zugängliche, altersangepasste Bewegungsangebote machen.

Wie gehen Sie am besten vor? Stärken oder Potentiale sind beispielsweise Sportvereine, Hausarzt- und Physiotherapiepraxen, Volkshochschulen, Kirchen, Selbsthilfegruppen. Interessante Potentiale sind aber auch ambulante Pflegedienste, weil sie einen direkten Zugang zu den hochvulnerablen Personen der Zielgruppe haben und diese zu Bewegungen motivieren können, die mit Hilfsmitteln (z. B. Rollatoren) noch möglich sind.

Ordnen Sie in einem zweiten Schritt die aufgelisteten Stärken nach ihren geografischen Verteilungen in der Kommune. Geo-Informationssysteme leisten dazu gute Dienste. Die so gesammelten Potentiale sind auch ein nützlicher Hinweis, wen Sie zu Kooperationspartnerinnen und -partnern machen könnten.

Bewertung der aktuellen Infrastruktur der Kommune hinsichtlich bewegungsförderlicher Gestaltung

Um zu beschreiben und zu bewerten, ob die Infrastruktur der Kommune bewegungsförderlich oder -hinderlich gestaltet ist, können Fragebogen, Audits oder Geo-Informationssysteme dienen 1. Schlagworte der baulichen Merkmale einer Kommune, die das Volumen der körperlichen Aktivität beeinflussen, lauten Bikeability, Walkability, Walk-Score, Neighbourhood-Environment oder subjektiv wahrgenommene Umgebungsbedingungen. Für Audits als auch für subjektive Umgebungsmerkmale existieren zielgruppenspezifische Verfahren. Auch gibt es Verfahren, die sich auf bestimmte Bereiche der körperlichen Aktivität beziehen (z. B. auf das Zufußgehen, das Radfahren). Bisherig entwickelte Audits liegen überwiegend in englischer Sprache vor und wurden für die typische US-amerikanische Stadt entwickelt. Die Hochschule Heidelberg entwickelte, mit finanzieller Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, im Jahr 2021 ein neues Audittool für den deutschen Raum und mit der Möglichkeit sich auf verschiedene Zielgruppen, u. a. ältere Menschen, zu fokussieren.

Befragung zum aktuellen Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität der Zielgruppe der älteren Menschen

Weil sich gezeigt hat, dass das frühere und aktuelle Verhalten einer Person der beste Vorhersagewert für zukünftiges Verhalten ist, wäre es auch nützlich, den aktuellen Intensitätsgrad der körperlichen Aktivität der Zielgruppe (im Alltag und in der Freizeit) zu erfassen.

Wie gehen Sie am besten vor? Für die Befragung größerer Personengruppen eignen sich Fragebögen und Bewegungstagebücher. Fragebögen sind grundsätzlich die kostengünstigste Alternative. Es bestehen allerdings auch Gefahren der Verzerrung von Angaben zum Bewegungsverhalten, insbesondere wenn nach abnehmendem Intensitätsgrad gefragt wird. Instrumente, wie Schrittzähler oder Beschleunigungsmessgeräte (Akzelerometer) messen zuverlässiger als Fragebögen, sind aber teuer. Um Beschleunigungsdaten auszuwerten und zu beurteilen, benötigen Sie zudem eine spezifische Expertise 1.

Zusammenfassung

Welches Vorgehen und welche Messmethoden für Sie richtig sind, ist abhängig von den zur Verfügung stehenden finanziellen und personalen Ressourcen sowie von der Zielgruppe.

Grundsätzlich ist eine Ist-Analyse äußerst wichtig, da die Daten anzeigen, wo Sie ansetzen müssen, um Ihre Kommune bewegungsförderlich(er) zu entwickeln.

[ 1 ]

Bucksch J. Bucksch J, Claßen T, Geuter G, Budde S (2012): Bewegungs- und gesundheitsförderliche Kommune. Evidenzen und Handlungskonzept für die Kommunalentwicklung – ein Leitfaden. Bielefeld: Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen; 2012.


Verfügbar unter: https://www.lzg.nrw.de/_php/login/dl.php?u=/_media/pdf/service/Pub/2012_df/bewegungs-_und_gesundheitsfoerderliche_kommune_lzg-nrw_2012.pdf

[ 1 ]Bucksch J. Bucksch J, Claßen T, Geuter G, Budde S (2012): Bewegungs- und gesundheitsförderli-che Kommune. Evidenzen und Handlungskonzept für die Kommunalentwicklung – ein Leitfaden. Düsseldorf: LZG.NRW.

[ 2 ]

Schlicht W (2017) Urban Health. Erkenntnisse zur Gestaltung einer „gesunden“ Stadt. Springer Fachmedien, Wiesbaden.

[ 2 ]Schlicht W (2017) Urban Health. Erkenntnisse zur Gestaltung einer „gesunden“ Stadt. Springer Fachmedien, Wiesbaden.

[ 3 ]

Walter U, Gerlich M, Schwarz FW. Gesundheitsindikatoren. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2020;Strategien und Methoden.

[ 3 ]Walter U, Gerlich M, Schwarz FW. Gesundheitsindikatoren. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2020;Strategien und Methoden.

[ 4 ]

Cassetti V, Powell K, Barnes A, Sanders T. A systematic scoping review of asset-based approaches to promote health in communities: development of a framework. Glob Health Promot. September 2020;27(3):15–23.

[ 4 ]Cassetti V, Powell K, Barnes A, Sanders T. A systematic scoping review of asset-based approaches to promote health in communities: development of a framework. Glob Health Promot. September 2020;27(3):15–23.

[ 5 ]

Morgan A, Ziglio E. Revitalising the evidence base for public health: an assets model. Promotion & Education. Juni 2007;14(2_suppl):17–22.

[ 5 ]Morgan A, Ziglio E. Revitalising the evidence base for public health: an assets model. Promotion & Education. Juni 2007;14(2_suppl):17–22.

[ 6 ]

Schlicht W, Zinsmeister M. Gesundheitsförderung systematisch planen und effektiv intervenieren [Internet]. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag; 2015 [zitiert 28. Juni 2021].
Verfügbar unter: https://www.springer.com/de/book/9783662469880

[ 6 ]Schlicht W, Zinsmeister M. Gesundheitsförderung systematisch planen und effektiv intervenieren [Internet]. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag; 2015 [zitiert 28. Juni 2021].

[ 7 ]

Richter M, Hurrelmann K. Determinanten von Gesundheit. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2015;Strategien und Methoden.

[ 7 ]Richter M, Hurrelmann K. Determinanten von Gesundheit. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2015;Strategien und Methoden.

[ 8 ]

on behalf of the DEDIPAC consortium, Condello G, Ling FCM, Bianco A, Chastin S, Cardon G, u. a. Using concept mapping in the development of the EU-PAD framework (EUropean-Physical Activity Determinants across the life course): a DEDIPAC-study. BMC Public Health. Dezember 2016;16(1):1145.

[ 8 ]on behalf of the DEDIPAC consortium, Condello G, Ling FCM, Bianco A, Chastin S, Cardon G, u. a. Using concept mapping in the development of the EU-PAD framework (EUropean-Physical Activity Determinants across the life course): a DEDIPAC-study. BMC Public Health. Dezember 2016;16(1):1145.

[ 9 ]

Bauman AE, Sallis JF, Dzewaltowski DA, Owen N. Toward a better understanding of the influences on physical activity. American Journal of Preventive Medicine. August 2002;23(2):5–14.

[ 9 ]Bauman AE, Sallis JF, Dzewaltowski DA, Owen N. Toward a better understanding of the influences on physical activity. American Journal of Preventive Medicine. August 2002;23(2):5–14.

[ 10 ]

Sutton S (2004) Determinants of health-related behaviors: Theoretical and methodological issues. In: Sutton S, Baum A, Johnston M (eds) The Sage Handbook of Health Psychology. Sage, Los-Angeles, CA., pp. 94-126.
Verfügbar unter: https://www.phpc.cam.ac.uk/pcu/wp-content/files/2012/01/Ch-04.pdf

[ 10 ]Sutton S (2004) Determinants of health-related behaviors: Theoretical and methodological issues. In: Sutton S, Baum A, Johnston M (eds) The Sage Handbook of Health Psychology. Sage, Los-Angeles, CA., pp. 94-126.

[ 11 ]

Flor W. Alter(n) und Gesundheitsförderung. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2020;Strategien und Methoden.

[ 11 ]Flor W. Alter(n) und Gesundheitsförderung. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention: Glossar zu Konzepten. 2020;Strategien und Methoden.

[ 12 ]

Robert Koch-Institut, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Hrsg) (2020) Über Prävention berichten – aber wie? Methodenprobleme der PräventionsberichterstattungBeiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes RKI, Berlin.
Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsB/Praeventionsberichterstattung.pdf?__blob=publicationFile

[ 12 ]Robert Koch-Institut, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Hrsg) (2020) Über Prävention berichten – aber wie? Methodenprobleme der PräventionsberichterstattungBeiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes RKI, Berlin.

Begriffserklärung

Stärken oder Potenziale (Assets)

Stärken oder Potenziale (Assets)

Stärken oder Potenziale sind Elemente der natürlichen kommunalen Umwelt, wie Organisationen und Personen, die es älteren Personen erleichtern und/oder die sie motivieren, körperlich aktiv zu sein. Mit dem Sammeln von Stärken wird ein ressourcen-orientierter Ansatz der Salutogenese verfolgt.  

Bedarfe

Bedarfe

Bedarfe sind objektive, quantifizierbare Größenordnungen, die anzeigen, wo Defizite bestehen oder drohen und Änderungen indiziert sind. Gemeinsam mit den Stärken und Potentialen sind sie die zentralen Größen zur Programmsteuerung. 

Bedürfnisse

Bedürfnisse

Bedürfnisse drücken das Wünschen und Wollen von Personen aus. Sie müssen nicht mit den Bedarfen übereinstimmen. Sie erscheinen als Mangel- oder Wachstumsbedürfnisse. Sie taugen nicht zur Steuerung von Programmen, Maßnahmen und Aktivitäten, sollten aber bedacht werden, weil nur solche Programme, Maßnahmen und Aktivitäten motivieren, die zu den Bedürfnissen passen 6.

Determinanten

Determinanten

Determinanten gelten in den Gesundheitswissenschaften als Variablen, die ein Verhalten in typischer Weise beeinflussen. Die Beziehung zwischen einer Determinante und einem Verhalten ist nicht zwingend kausal 9. In der Regel sind die Determinanten vielmehr mit dem Verhalten in typischer Weise korreliert (assoziiert). Die Beziehung ist auch nicht zwingend direkt, sondern kann indirekt die Stärke der Beziehung zwischen dem Verhalten und einer anderen Variable beeinflussen (Moderator) oder die Beziehung erst ermöglichen, wenn sie gleichzeitig mit dem Verhalten und der Determinante auftritt (Mediator) 10 .

Hinweis


Wenn Sie ohne Registrierung fortfahren, werden Ihre Merklisten verworfen, sobald der Browser oder der Browsertab geschlossen wird.

Ich habe einen Login

Ich möchte mich neu registrieren


Ohne Registrierung weiter

zum Seitenanfang
{"start_page":"222","material_page":"224","angebot_page":"225","projekt_page":"226","register_page":"235","login_page":"234","merklist_page":"233","datenschutz_page":"247","infopopup1_page":"0","infopopup2_page":"0","infopopup3_page":"255","infopopup4_page":"0","umfrage_page":"239","remove_page":"237","leitfaden_page":"227","leitfaden_wissen_page":"279","leitfaden_angebot_page":"280","leitfaden_programm_page":"281","leitfaden_praxis_page":"231","leitfaden_einstieg_page":"232","infopopup5_page":"{$config.impuls_infopopup5_page}","infopopup6_page":"{$config.impuls_infopopup6_page}","merkliste_info_page":"236","search_page":"238","bitv_page":"243","bitv_form_page":"244","ls_page":"0","gs_page":"0","impressum_page":"246","kontakt_page":"248","quali_page":"610","ignore_leitfaden":"0","impuls_prozess_nr1_info_pid":"261","impuls_prozess_nr2_info_pid":"262","impuls_prozess_nr3_info_pid":"263","impuls_prozess_nr4_info_pid":"264","impuls_prozess_nr5_info_pid":"265","impuls_prozess_nr6_info_pid":"266","impuls_prozess_nr7_info_pid":"267","impuls_prozess_nr8_info_pid":"268","impuls_prozess_nr9_info_pid":"269","impuls_prozess_nr1_video_info_pid":"270","impuls_prozess_nr2_video_info_pid":"271","impuls_prozess_nr3_video_info_pid":"272","impuls_prozess_nr4_video_info_pid":"273","impuls_prozess_nr5_video_info_pid":"274","impuls_prozess_nr6_video_info_pid":"275","impuls_prozess_nr7_video_info_pid":"276","impuls_prozess_nr8_video_info_pid":"277","impuls_prozess_nr9_video_info_pid":"278","logo":{"height":"59","width":"297","linktitle":""}}