SeniorenNetz Märkisches Viertel

Unter dem Titel „Digital vernetzt im Alter“ ermöglicht der Verein Netzwerk Märkisches Viertel e.V. älteren Bewoh­nerinnen und Bewohnern das Internet für sich nutzbar zu machen und sich digital zu vernet­zen. Ziel ist es, die soziale Teilhabe älterer Menschen im Viertel mithilfe des Internets zu stärken. Im Projekt engagieren sich neben dem ansässigen Wohnungs­unter­neh­men und weiteren Stadt­teil­akteurinnen und -akteuren die Seniorinnen und Senioren aus dem Viertel.
Das SeniorenNetz wurde in Kooperation mit „place/making – soziale Designprojekte“ entwickelt und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Das Interview führten wir mit Frau Helene Böhm (Projektleitung).
(Erstellung des Interviews: April 2019)

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1. Wie kam es zur Idee Ihres Angebotes?

Die Idee des Projektes entsprang einerseits einer Maßnahme der GESOBAU, mehrere kostenlose WLAN-Hotspots an verschiedenen Orten im Märkischen Viertel einzurichten.
Parallel startete zu diesem Zeitpunkt, ebenfalls im Märkischen Viertel, der Aufbau des Wohn- und Versor­gungs­konzeptes für ältere und pflegebedürftige Menschen „Pflege@Quartier“. Dabei initiierte die GESOBAU, dass 30 Wohnungen von Menschen über 65 Jahren im Märkischen Viertel mit AAL-Technik („Active Assisted Living“ oder dt. „Altersgerechte Assistenzsysteme“) ausgestattet werden. Bei den Einbauten handelte es sich bspw. um eine visuelle Türklingel, schaltbare Steckdosen, Sensoren, die Stürze erkennen und Alarm melden oder die Lichtsteuerung über ein Tablet.
Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen wurden zwar bewusst technische Lösungen gewählt, die für Nutzerin­nen und Nutzer leicht bedienbar und bezahlbar sind und damit niedrigschwellig umgesetzt werden können. Jedoch wurde schnell deutlich, dass eine Vielzahl älterer Menschen, die bisher keinerlei Berührungs­punkte mit digitalen Produkten und dem Internet hatten, darüber nicht mitgenommen wurden. Beispielsweise wussten Personen mit Hotspots schlichtweg gar nichts anzufangen oder hätten eingebaute AAL-Technik in ihrer Wohnung mangels technischen Knowhows nicht bedienen können.
Deshalb haben wir beschlossen, die bestehenden Angebote im Märkischen Viertel sinnvoll für die Gruppe der älteren Menschen zu ergänzen und haben „Digital mobil im Alter“ ins Leben gerufen. Mittels einer Fokus­gruppen­analyse wollten wir zunächst herausfinden, inwieweit ältere Menschen im Märkischen Viertel digitale Medien nutzen, welche Vorteile dies für sie haben kann und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit mehr Seniorinnen und Senioren den Schritt in die digitale Welt wagen. Wir haben mit zum Teil weit über 65-jährigen Personen sowie in einigen Fällen auch mit den Pflegefachkräften gesprochen. Uns erreichte von einer Vielzahl der Befragten die Rückmeldung, dass durchaus Interesse und Neugier darin besteht, das Internet kennenzulernen und sich digital und technisch weiterzubilden. Darunter waren sowohl Personen, die bisher keine Erfahrung mit dem Internet hatten als auch Personen, die bereits viel mit Smartphone und Tablet surften. Auf Basis dieser Ergebnisse haben wir dann ein Konzept ausgearbeitet.

2. Was macht dieses Angebot in Ihren Augen so wichtig?

Wir befinden uns inmitten einer rasanten Entwicklung. Immer mehr Wissen und Infor­ma­tionen werden aus der analogen in die digitale Welt übertragen und wir nehmen dabei eine ganze Gene­ration der heute über 65ig-jährigen nicht mit.
Im Netzwerk Märkisches Viertel e.V. möchten wir ältere Menschen dabei unter­stützen, in die digitale Welt zu finden, damit sie so lange wie möglich ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung führen können. Dabei stehen für uns nicht nur die Begriffe Gesundheits- bzw. Medien­kompe­tenz im Mittel­punkt. Vielmehr zielen wir mit dem Projekt darauf ab, die soziale Teil­habe im eigenen Quartier sowie die Freude am „sich-vernetzen-können“ zu stärken.

3. Wie gehen Sie vor, um Ihrem Ziel, älteren Bewohnerinnen und Bewohnern ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, näher zu kommen?

Wir verfolgen im Projekt verschiedene Ansätze, wie bspw. die Entwicklung der Website www.senioren­netz.berlin oder die Einrichtung betreuter Anlaufpunkte im Quartier, an denen sich Seniorinnen und Senioren an Tablets online informieren und Technik ausprobieren können.
Daneben trifft sich seit Januar 2017 im Ribbeck-Haus, einem Mietertreffpunkt der GESOBAU, die Gruppe der „Cyber Seniors“. Anfangs noch als strukturiertes Trainingsprogramm gedacht, ist dieser Treffpunkt zu einem offenen „Vernetzungscafé“ geworden. Hier können unter regelmäßiger Anleitung eines ehrenamtlich Enga­gier­ten interessierte ältere Menschen an Tablets lernen – z. B. wo sie online nützliche Gesund­heits­infor­ma­tionen finden, wie sie über soziale Medien Kontakte pflegen oder wie sie Apps installieren können. Der Inhalt einer Stunde gestaltet sich bspw. so, dass man bei einem gemeinsamen Ausflug im Viertel die Foto-App aus­probiert oder sich mittels eines virtuellen Rundgangs an den Tablets die Musterwohnung „Pflege@Quartier“ anschaut. Inzwischen haben die Personen aber auch ganz konkrete Fragen und Anliegen: „Ich möchte gerne die ZDF-Mediathek nutzen.", „Wo kann ich den aktuellen Busfahrplan einsehen?“ oder „Ich möchte vor meinem Enkel angeben – Wie kann ich ihm denn mal eine E-Mail schicken?“.
Ich denke, indem wir die Seniorinnen und Senioren mit Navigationsanwendungen oder Kommuni­kations­pro­grammen vertraut machen, können wir sie dabei unterstützen, ihre Mobilität zu verbessern und ihnen dabei helfen, aktiver am Leben teilzuhaben. Gleichzeitig kann durch gute Begleitung und Unterstützung in der Grup­pe das Selbstvertrauen im Umgang mit Internet und Technik gestärkt werden. Technische Assistenz­sys­teme, die den Alltag erleichtern und zur Sicherheit beitragen können, werden somit eher genutzt.

4. Seniorinnen und Senioren werden als Fachexperten ihrer Lebenslagen aktiv in das Projekt eingebunden. Können Sie uns beschreiben, wie das gelingt?

Durch den engen und persönlichen Kontakt sowie die Offenheit des Konzeptes werden die Erwar­tungen der Seniorinnen und Senioren berück­sichtigt und wir können uns konkret an deren Lebens­wirk­lich­keit orien­tieren. Unsere Website www.seniorennetz.berlin ist das beste Beispiel dafür. Die Website bietet eine Übersicht zu unterschiedlichen Themen, zu Orten im Viertel und in der nahen Umgebung sowie zu aktuellen Veranstal­tun­gen. Bei der Entwicklung waren sechs Seniorinnen und Senioren Teil einer Projekt­gruppe, die außerdem aus den Partnern Netzwerk Märkisches Viertel, Gesobau AG, Pflege Kompetent und dem Designstudio place/making bestand. So konnten wertvolle Rückmel­dungen zur Barrierefreiheit der Website aus Sicht der älteren Nutzer direkt mitgedacht werden. Als Beispiel fällt mir das Symbol der Lupe als Navigationselement ein, welches von den Seniorinnen und Senioren gar nicht als solches erkannt wurde. Durch das Hinzufügen eines erklärenden Textes „Suchfunktion“ konnten wir diese potenzielle Barriere aber ganz einfach aus dem Weg räumen.
Inzwischen übernehmen die Seniorinnen und Senioren die Redaktion der Website selbst und bauen diese mit Alltags-Tipps zu einem Informationsportal für Ältere im Märkischen Viertel aus.

5. Was geben Sie denen mit auf den Weg, die ähnliches planen?

Das, was wir auch unseren Teilnehmenden mitgeben: Es tut gut, sich zu öffnen, mutig zu sein und – auch im Alter – etwas Neues zu lernen. Der soziale Aspekt trägt dabei maßgeblich zum Erfolg der Angebote bei. Unsere Website z. B. ist nicht nur Informationsnetzwerk, sondern bietet gleichzeitig auch Anlass zur per­sön­lichen Begegnung. Die Ratsuchenden und Teilnehmenden treffen sich insbesondere auch der Gemein­schaft wegen und um einfach mal ein bisschen zu schwätzen. Dem sollte man mit Wertschätzung und Offen­heit begegnen und wenn möglich einen Rah­men schaffen, in dem dies auch längerfristig gelingen kann. Der Be­darf an digitalen Mög­lich­keiten seitens der älteren Menschen ist in jedem Fall vorhanden.

Bei weiteren Fragen zum Angebot

Helene Böhm
Wilhelmsruher Damm 142
13439 Berlin
Mail:
Web: seniorennetz.berlin

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Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

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