El Ele (Hand in Hand) – Gesundheit im Alter

Mit seinem Projekt El Ele trägt der Verein Türkische Gemeinde in Hamburg und Umgebung e. V. dazu bei, ältere türkischstämmige Migrantinnen und Migranten in das Netz der Altenhilfe in Hamburg zu integrieren. Durch verschiedene Maßnahmen und Instrumente werden den zugewanderten Seniorinnen und Senioren und ihren Angehörigen Zugänge zu wichtigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten der Gesundheitsvorsorge erleichtert. Die Gewinnung und Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen der türkischen Gemeinschaft spielen dabei eine zentrale Rolle. El Ele (türk. für Hand in Hand) wird von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) finanziert und gefördert.

Das Interview führten wir mit Herrn Gökhan Konca (Projektleitung).

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1. Wie kam es zur Idee Ihres Angebotes?

Die türkische Gemeinde Hamburg (TGH) wurde bereits 1986 von den türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten gegründet und ist heute die älteste türkische Gemeinde in Deutschland. Ein Großteil der türkischstämmigen Menschen, die als Arbeitsimmigranten und -immigranten in den 60er und 70er Jahren nach Deutschland kamen, sind in ihrer zweiten Heimat geblieben. Wie bei allen Menschen nehmen mit fortschreitendem Alter die gesundheitlichen Beschwerden zu. Ein stark körperlich belastendes Berufsleben befördert oftmals zusätzlich die frühzeitige Entstehung von chronischen Erkrankungen. Darüber hinaus kommen bei Migrantinnen und Migranten häufig psychisch belastende Erfahrungen aus der Migrationsgeschichte hinzu, die gerade im Alter wieder stärker ins Bewusstsein geraten.
Aufgrund von sprachlichen und kulturelle Barrieren sind die Zugänge zu den herkömmlichen Senioreneinrichtungen und Beratungsangeboten erschwert, so dass häufig eine Inanspruchnahme von zustehenden Leistungen nicht erfolgt und gleichzeitig ein zunehmend großer Beratungs- und Unterstützungsbedarf besteht.
Das Projekt El Ele hat es sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe verschiedener Maßnahmen und Instrumente Zugänge zu Angeboten des Gesundheits- und Vorsorgesystems zu ermöglichen, um letztlich die gesundheitliche Versorgungssituation älterer Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zu verbessern.

2. Was macht dieses Angebot in Ihren Augen so wichtig?

Der Prozess der interkulturellen Öffnung des Gesundheitswesens steckt noch in den Kinderschuhen und El Ele ist eines der wenigen kulturspezifischen Projekte im Gesundheitsbereich in Hamburg. Indikatoren, die auf eine interkulturelle Öffnung des Gesundheitswesens hinweisen, sehen wir bspw. in der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, die zudem auch in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Gleichzeitig sollten Fortbildungen für Mitarbeitende und Führungskräfte innerhalb der Institutionen angeboten werden. Weiterhin sind für uns kultur- bzw. zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit sowie muttersprachliche Informationsveranstaltungen und Materialien entscheidende Elemente der interkulturellen Öffnung im Gesundheitswesen. El Ele nimmt sich vor, die Migrantinnen und Migranten in das Gesundheitssystem einzuführen und dabei ihre kulturellen Sensibilitäten zu beachten und ernst zu nehmen. Wir als Projekt stehen vor der Herausforderung, die Barrieren für türkischstämmige Seniorinnen und Senioren abzubauen. Nur so können Internationalität im Gesundheitswesen gestärkt und gleiche Teilhabechancen für alle Menschen im Gesundheitssystem ermöglicht werden.

3. Wie gehen Sie vor, um Ihrem Ziel, älteren türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten den Zugang zu Angeboten des Gesundheits- und Vorsorgesystems zu erleichtern, näher zu kommen?

Das wichtigste Kriterium ist für uns das Multiplikatoren-Konzept. Wir versuchen in einem ersten Schritt Vertrauenspersonen, wie z.B. Ärztinnen und Ärzte, Imame, Unternehmerinnen und Unternehmer oder Vereinsvorsitzende zu ermitteln und für das Projekt zu gewinnen. Ist dies gelungen, werden sie als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren befähigt, Ratsuchende an das Gesundheitssystem zu vermitteln und an weitere Regelangebote zu verweisen. Bei der Gewinnung und Motivierung von Vertrauenspersonen ist der wichtigste Erfolgsfaktor der Prozess des Vertrauensaufbaus zwischen den Angebotsträgern und den Vertrauenspersonen. Emotionale Faktoren wie z.B. die Anerkennung seitens der Community oder das Erfüllen einer Vorbildfunktion, verknüpft mit dem Gefühl des sich geehrt Fühlens, sind wichtige Bausteine bei der Frage der Motivation. Regelmäßige Treffen, Informationsaustausch und gemeinsame Entscheidungen über Schulungsthemen sind als erste Maßnahmen unserer Zusammenarbeit vorgesehen. Bei diesem Prozess spielt zu Beginn eine Kommunikation auf Augenhöhe eine große Rolle.
Parallel versuchen wir mit weiteren Akteuren des Gesundheitssystems, wie Pflegestützpunkten oder Alzheimergesellschaften, zu kooperieren, indem wir sie dabei unterstützen ihre Angebote kulturspezifisch zu gestalten. Hierfür werden beispielsweise muttersprachliche Informationsblätter zur Verfügung gestellt oder Menschen mit Migrationshintergrund als Angebotsvermittler hinzugezogen. Durch den Auf- und Ausbau von Kooperationen entsteht in dem Projekt ein Akteurs-Netzwerk, das es den Zielgruppen ermöglicht Regelangebote besser zu erreichen.

4. Können Sie uns bitte fördernde sowie hemmende Faktoren bei der Umsetzung des Projektes nennen?

Fördernd erlebe ich die Bereitschaft des Vereins WABE e. V. unser Projekt ideell zu unterstützen. So sind alle Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler im Namen des Vereins tätig und abgesichert. 26 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler übernehmen die Bedienung am Mittagstisch (immer eine männl. und eine weibl. Person), vier Personen sind für die Veröffentlichung und Aushang der Speisepläne verantwortlich und zwei Personen nehmen im Wechsel am Montag von 9:00 – 10:00 Uhr die Anmeldungen entgegen. Die Organisation übernehme ich auch ehrenamtlich. Durch die hohe Zahl an Mitarbeitenden wird jede Person zeitlich nur selten in Anspruch genommen. Dadurch fühlt sich niemand überfordert und seit fast vier Jahren habe ich keine Absagen. Fördernd ist auch, dass das ganze Projekt kostenneutral durchgeführt wird. Den Raum stellt die kath. Kirchengemeinde kostenlos zur Verfügung, alle Arbeiten werden ehrenamtlich erledigt und die Kosten für Servietten werden durch Spenden aufgebracht. Schließlich erlebe ich die ideelle Unterstützung von Politik, Kirche und Vereinen als fördernd.

Hemmend wirkt sich dagegen die fehlende Transportmöglichkeit für Personen aus, die nicht mobil sind. Die mobilen Seniorinnen und Senioren kommen mit dem eigenen Auto, dem Rad oder zu Fuß. Es sind inzwischen auch einige Fahrgemeinschaften entstanden, aber es gibt keinen verlässlichen "Fahrdienst" im Ort, den unsere Gäste nutzen könnten.

5. Können Sie uns bitte fördernde sowie hemmende Faktoren bei der Umsetzung Ihres Projekts nennen?

Fördernde Faktoren:

  • Förderung und Unterstützung seitens der Hamburger Behörde für Gesundheits- und Verbraucherschutz
  • Kooperation mit den Bezirken Hamburg Altona und Hamburg Mitte
  • bisherige Schwierigkeiten im Erreichen der türkischen Community als Herausforderung ernst nehmen
  • Engagement der Vertrauenspersonen
  • Einigung über die Notwendigkeit des Angebots
  • Gute Vernetzung des Projektträgers Türkische Gemeinde Hamburg
  • Bedarf seitens der türkischen Migrantinnen und Migranten

Hemmende Faktoren:

  • Bedarf an unterschiedlichsten Kommunikationswegen innerhalb der Community
  • fehlende Eigeninitiative seitens der Community
  • Skepsis über die Notwendigkeit der kulturspezifischen Angebote seitens der Öffentlichkeit

6. Wie gehen Sie vor, um zu gewährleisten, dass Ihr Angebot auch über die Projektlaufzeit hinaus Bestand hat?

Im Rahmen des Projekts El Ele entsteht ein verlässliches und gut geschultes Team von Vertrauenspersonen, die sich auch in Zukunft für die Institutionen und die Community einsetzen werden. Die Vernetzung zwischen den Vertrauenspersonen und den Trägerinnen und Trägern war bereits von Anfang an von großer Wichtigkeit. Diese Vernetzung wird auch über die Laufzeit hinaus Bestand haben, da die älter werdenden Migrantinnen und Migranten die Rolle der Vertrauenspersonen auch in der Zukunft unabdingbar machen. Solange die Bereitschaft zur interkulturellen Öffnung im Gesundheitswesen existiert, wird der Mehrwert des Projektes Bestand haben.

Bei weiteren Fragen zum Angebot

Gökhan Konca
Türkische Gemeinde Hamburg u. Umgebung e.V. (TGH)
Hospitalstraße 111, TGH Haus 7   
22767 Hamburg
Tel.: 040.413 66 09-53
Mail: 
Web: www.TGHamburg.de

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Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund wurde 2003 von der BZgA initiiert. Sein zentrales Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Projekten und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten.

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