Bedeutung von Nachhaltigkeit
Unter Nachhaltigkeit versteht man in der Gesundheitsförderung das Streben nach längerfristigen Wirkungen und dauerhaft tragbaren Strukturen. Bei der Entwicklung gesundheitsfördernder Angebote und Strukturen für ältere Menschen steht dabei häufig die Erhaltung der Lebensqualität im Mittelpunkt.
Nachhaltige Maßnahmen streben hierfür nachweisbare Veränderungen bei der Zielgruppe (Zielgruppe) an, indem sie individuelle Kompetenzen und Ressourcen stärken (Empowerment) und in den Lebenswelten auf eine dauerhafte Gestaltung gesundheitsgerechter Lebensbedingungen (Setting-Ansatz) hinwirken.
Voraussetzung dafür ist eine Verstetigung auf struktureller Ebene. Sie lässt sich zum Beispiel erreichen durch die Sicherstellung von Räumen und Personal sowie durch die Entwicklung von Kooperationen. Idealerweise gehört auch die Verankerung in kommunale Strategien und/oder ihre Verknüpfung oder Integration in landes- oder bundesweite Programme dazu (Integriertes Handeln).
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Besonderheiten bei einer nachhaltigen Gestaltung eines Angebotes mit älteren Menschen
Präventionspotenziale im Alter nutzen
Im Alter geht es bei gesundheitsförderlichen Angeboten meist weniger um Leistungssteigerung und mehr um den möglichst langen Erhalt der Gesundheit sowie der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung. Wissenschaftliche Studien zeigen einen positiven Einfluss gesundheitsförderlicher Angebote, wie alltagsnahe Bewegungsangebote oder die Förderung der sozialen Teilhabe auf bestimmte gesundheitliche Risiken im Alter (z. B. Herz-Kreislauferkrankungen, Stürze und Immobilität oder auch soziale Isolation).
Auch bei hochaltrigen Menschen oder Pflegebedürftigkeit besteht weiterhin ein hohes Präventionspotential. So zeigen Maßnahmen der Bewegungsförderung auch bei einer bestehenden Pflegebedürftigkeit im Alter deutliche positive Effekte hinsichtlich der funktionalen Gesundheit. Sie helfen bei der Erhaltung und Verbesserung alltäglicher Bewegungsabläufe (z. B. Aufstehen, Essen, Anziehen) aber auch der kognitiven Fähigkeiten.
Vielfalt und Bedarfslagen im Alter berücksichtigen
Betrachtet man die Phasen vom Eintritt in das Rentenalter bis zum Lebensende, dann wird deutlich, dass hier ganz andere Zielstellungen von unterstützenden (gesundheitsförderlichen) Maßnahmen relevant sind.
So geht es den älteren Menschen in den ersten Jahren vorrangig um eine sinnstiftende, zufriedenstellende Alltagsgestaltung mit neuen Tagesabläufen und den Erhalt sozialer Kontakte und Teilhabe. Später dann besonders um den Umgang mit Trauer und dem Verlust eines geliebten Menschen und die Herausforderung des Alleinlebens. Relevante Themen in der Personengruppe der Hochaltrigen sind der begrenzte Aktionsradius aufgrund körperlicher Einschränkungen, der Erhalt oder die Stärkung der Selbstständigkeit, die barrierefreie Umgebung im Wohnumfeld und die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.
Beispiel
Präventionsnetze im Alter
Wie können Strukturen für und mit älteren Menschen in der Kommune bedarfsgerecht aufgebaut werden? Dieser Frage widmet sich das Themenheft „Präventionsnetze im Alter“ der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Niedersachsen. Es enthält wichtige Hintergründe und Herausforderungen von Präventionsnetzen für und mit älteren Menschen sowie einige gute Beispiele aus der Praxis. Zudem werden Handlungsempfehlungen für den Aufbau solcher Netze gegeben. Mehr Informationen erhalten Sie in dem Themenheft „Präventionsnetze im Alter“.
Zum Themenheft
Umsetzungsstufen von Nachhaltigkeit
Stufe 1: Der Bedarf für die Maßnahme wird festgestellt
In dieser Stufe geht es darum, die verfügbaren Informationen, wie zum Beispiel Gesundheitsberichte, Ergebnisse aus Befragungen oder Fokusgruppen, zu ermitteln, um die gesundheitlichen Bedarfe und Probleme zu identifizieren. Hierbei sollten möglichst alle relevanten Akteur*innen und Betroffenen einbezogen werden. Anschließend gilt es zu klären, welche der identifizierten Bedarfe und Probleme bearbeitet, welche Ressourcen gefördert und welche Möglichkeiten zur Verstetigung geplant werden sollen.
Beispiel Stufe 1: Gesundheitsförderung mit älteren Männern
In einem innerstädtischen Bezirk, der durch einen hohen Anteil einkommensschwacher älterer Menschen geprägt ist, stellen Bewohnende sowie Fachkräfte der Seniorenarbeit fest, dass es vor Ort kein ausreichendes Angebot zur Förderung der Gesundheit und sozialen Teilhabe älterer Männer gibt. Sie empfehlen, ein entsprechendes Angebot einzurichten und die Arbeit im Rahmen einer Modellphase intensiv zu begleiten.
Worauf können wir achten?
Menschen partizipativ einbinden
Zur Gestaltung bedarfsgerechter Angebote sollten die älteren Menschen, an die sich das Angebot richtet, direkt zu Beginn mit einbezogen werden. Hierzu gibt es unterschiedliche Instrumente der Beteiligung (Partizipation).
Stufe 2: Die Maßnahme wird konzipiert und durchgeführt
In Stufe 2 werden anhand der identifizierten Bedarfe und Probleme konkrete Ziele formuliert und geeignete gesundheitsförderliche Maßnahmen konzipiert und umgesetzt. Die Zielerreichung – insbesondere gesundheitsfördernde Veränderungen für die Zielgruppen – wird überprüft. Finanzgebende werden angesprochen und gewonnen, so dass die Umsetzung (z. B. als Modellprojekt) gewährleistet ist.
Beispiel Stufe 2: Gesundheitsförderung mit älteren Männern
Die fachlichen Grundlagen für ein spezifisches Angebot zur Förderung der Gesundheit und sozialen Teilhabe älterer Männer werden entwickelt und die Voraussetzungen an Personal und Infrastruktur formuliert. Im Rahmen der Konzeptentwicklung werden Ziele für die Arbeit formuliert und Ideen entwickelt, wie deren Erreichung überprüft werden können. Bei dem Angebot handelt es sich um eine bestehende Werkstatt, die zum selbstständigen Handwerken bzw. für kleinere Reparaturarbeiten genutzt werden kann. Die Werkstatt ist an eine Nachbarschaftseinrichtung angeschlossen und soll künftig zu festgelegten Zeiten Männern ab 60 Jahren aus dem innerstädtischen Bezirk kostenfrei zur Verfügung stehen. An das Angebot der Werkstatt sind Informationsabende zu Themen rund um die Gesundheit älterer Männer angebunden. Relevante Themen werden gemeinsam mit den Teilnehmenden im Rahmen der „Werkstattzeit“ von Sozialarbeiter*innen aufgegriffen und zielgruppengerecht aufbereitet, um diese dann gemeinsam innerhalb von Informationsabenden mit den Teilnehmenden zu behandeln. Die Umsetzung der Modellphase mit einer Laufzeit von 2 Jahren soll im Rahmen eines Landesprogrammes zum Thema „Männergesundheit“ erfolgen.
Worauf können wir achten?
Alltagsnahe Gesundheitsförderung konzipieren
Gemäß dem Präventionsgesetz (§ 20a SGB V) sollen Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung in den Lebenswelten der Menschen stattfinden. Hierzu zählen unter anderem Orte des Wohnens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports – also das alltägliche Umfeld der Menschen. Für ältere Menschen ist es wegen ihres kleiner werdenden Bewegungsradius umso wichtiger, dass gesundheitsförderliche Maßnahmen für sie möglichst alltagsnah konzipiert und umgesetzt werden.
Stufe 3: Die Maßnahme wird erfolgreich durchgeführt, ihre Wirksamkeit ist belegt und die Verstetigung gesichert
Im Verlauf der Projektförderung (vgl. Stufe 2) werden die Aktivitäten und (Zwischen-) Ergebnisse der Arbeit dokumentiert. Diese belegbaren Erfolge der Arbeit können anschließend für die Verstetigung des Projektes genutzt werden, um Fördermittelgebende sowie wichtige Partner*innen zu gewinnen oder das Angebot in längerfristige Programme und strategische Konzepte auf kommunaler Ebene oder Landesebene einzubinden. Die Verstetigung kann sich dabei auf die gesamte Maßnahme beziehen oder auf einige besonders wirksame und vielversprechende Elemente.
Beispiel Stufe 3: Gesundheitsförderung mit älteren Männern
Das neu entwickelte Angebot zur Förderung der Gesundheit und sozialen Teilhabe von Männern ab 60 Jahren wird in einer Nachbarschaftseinrichtung mit angeschlossener Werkstatt durchgeführt und die Umsetzung dokumentiert. Angebunden an die Werkstatt sind Informationsabende zu Themen rund um die Gesundheit älterer Männer (vgl. Stufe 2). Die Dokumentation enthält die Inanspruchnahme der Werkstatt, die Anzahl der Teilnehmenden an den Informationsabenden, relevante Gesundheitsthemen unter Beteiligung der Teilnehmenden und deren Zufriedenheit. Es lässt sich belegen, dass die Nachfrage hoch ist, das Angebot gut angenommen wird und die Teilnehmenden es als unterstützend und hilfreich wahrnehmen. Im Rahmen eines kommunalen Programmes zur Förderung der Gesundheit älterer Menschen wird daher das Angebot nach Auslaufen der Modellphase weiter gefördert. Außerdem findet eine Weiterentwicklung des strategischen Konzeptes statt. Aus den zentralen Erkenntnissen der Pilotphase lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen für die Fortführung des Angebotes ableiten. Diese dienen auch als Grundlage für den Transfer des Projektansatzes in weitere Bezirke mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur und Bedarfslagen.
Stufe 4: Die verstetigte Maßnahme wird kontinuierlich weiter entwickelt
Auch nach der längerfristigen Sicherung der Maßnahme gilt es, Bedarfe und Probleme gemeinsam mit den Zielgruppen kontinuierlich zu untersuchen und zu reflektieren. Wenn neue Bedarfe sichtbar werden oder deutlich wird, dass die Struktur des Angebotes aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht mehr angemessen ist, ist es an der Zeit, Ansätze für Weiterentwicklungen zu erarbeiten und diese in die Arbeit zu integrieren.
Beispiel Stufe 4: Gesundheitsförderung mit älteren Männern
Im Verlauf der Umsetzung des Angebotes zur Förderung der Gesundheit und sozialen Teilhabe älterer Männer (vgl. Beispielbeschreibung Stufe 2 und 3) zeigt sich im Rahmen des Qualitätsmanagements, dass die Informationsabende von Teilnehmenden zwar in Anspruch genommen werden, jedoch teilweise nicht vollständig erfasst und im Alltag angewendet werden. Gemeinsam mit den Teilnehmenden des Angebotes, Fachleuten für gewünschte Gesundheitsthemen sowie Fachleuten für „Einfache Sprache“ werden die Informationsabende zielgruppengerechter vorbereitet und umgesetzt. Außerdem werden Erfahrungsberichte von Teilnehmenden konzeptionell mit aufgenommen, um einen besseren Austausch untereinander anzustoßen.
Worauf können wir achten?
Menschen bestärken, ihre Bedarfe einzubringen
Um Bedarfe und ihre Veränderungen gemeinsam mit den Menschen zu identifizieren und reflektieren zu können, müssen die Menschen darin gefördert werden, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern und auch einzubringen. Verschiedene Instrumente und Maßnahmen, wie Stadtteilspaziergänge oder Ortsbegehungen (Empowerment, Partizipation), eignen sich hierfür. Gesundheitsgerechte Entscheidungen für sich selbst treffen zu können oder die eigenen Bedarfe in die (Weiter-)Entwicklung von gesundheitsförderlichen Angeboten und Strukturen einzubringen, ermöglicht nachhaltig positive Wirkungen bei der Zielgruppe.
Handlungsempfehlungen zur Nachhaltigkeit
Integriertes arbeiten als Fundament einer nachhaltigen Maßnahme
Arbeiten Sie vernetzt und verbindlich mit relevanten Akteur*innen Ihres eigenen und angrenzender Handlungsfelder zusammen. Das schafft Synergien und spart Ressourcen. Auch das Andocken an bestehende Strukturen und Aktivitäten (auf den verschiedenen föderalen Ebenen) trägt zum langfristigen Bestehen von Strukturen und Angeboten bei.
Erfahrungen
Felicitas Becker-Kasper vom Projekt „GRIPS – kompetent im Alter“ verdeutlicht, wie wichtig Verbindlichkeit bei der Zusammenarbeit von Kooperationspartner*innen und eine verlässliche Ressourcen- und Aufgabenteilung für das Gelingen eines Angebotes ist. „Teilhabeangebote von Bildungsträgern und der Kommune für Hochaltrige und weniger mobile Menschen müssen wohnortnah sein. Hierzu gilt es ein lokales Engagement zu wecken, um es mit öffentlichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen sowie freien Trägern zu einem tragfähigen Unterstützungsnetz zu verknüpfen. Dazu gehören klare und verbindliche Vereinbarungen zur Finanzierung und Umsetzung durch die beteiligten Kooperationspartner*innen. In Kassel stellt die Stadt im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung und einem damit verbundenen Zuwendungsvertrag der Volkshochschule Region Kassel sowie dem Seniorenreferat der Evangelischen Kirche in Kassel jährlich Mittel zur Verfügung. Dafür stellen die Kooperationspartner*innen die fachliche und organisatorische Weiterentwicklung von GriPs, die fachliche Begleitung der GriPs-Trainer*innen, die Akquise von finanziellen Mitteln, die Evaluation sowie die Gewährleistung einer angemessenen anerkennungskultur miteinander sicher.“
(Felicitas Becker-Kasper, GRIPS – kompetent im Alter, Hessen)
Zum Projekt
Good Practice-Beispiel
Netzwerk „Für mehr Teilhabe ältere Menschen in Kreuzberg“
Das Netzwerk „Für mehr Teilhabe älterer Menschen in Kreuzberg“ wurde bereits im Jahr 2013 gegründet und ist seitdem stetig gewachsen. Es zeichnet sich durch eine große und aktive Kerngruppe aus, die die Ideen des Netzwerkes langfristig in ihre Nachbarschaft verankert. Die Koordination liegt beim Nachbarschaftshaus Urbanstraße e. V., das eine verlässliche und dauerhafte Sicherung des Netzwerkes bietet, ohne dessen Unabhängigkeit zu beeinflussen. Als Gründungsmitglied sichert das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg die strukturelle Verankerung in die bezirklichen Strategien und unterstützt die Beschaffung von öffentlichen Fördermitteln für geplante Aktivitäten.
Die Maßnahmen des Netzwerkes sind auf nachhaltige Wirkungen ausgerichtet, insbesondere im Sinne nachweisbarer Veränderungen gesundheitsgerechter und -förderlicher Lebensbedingungen. Es hat sich gezeigt, dass der gemeinsame Nutzen der Teilnehmenden entscheidend für die Langfristigkeit und Verstetigung des Netzwerkes ist. Hierzu zählt, dass die Teilnehmenden mit Informationen über aktuelle Entwicklungen, Methoden und Fördermöglichkeiten der Arbeit mit älteren Menschen vor Ort versorgt werden. Kontinuierliche Diskussionen und Ideenaustausch zwischen den Netzwerkpartner*innen helfen, neue Perspektiven und Lösungsstrategien zu erarbeiten, die den komplexen Problemlagen der Teilhabe älterer Menschen im Quartier gerecht werden. Die direkte Zusammenarbeit mit den Zielgruppen spiegelt die aktuellen Bedarfslagen in das Netzwerk und ermöglicht es, aktuelle Themen und Probleme flexibel und unmittelbar zu bearbeiten.
Diese Arbeitsbedingungen im Netzwerk fördern die Beziehungsqualität und die Motivation der Beteiligten:
- konkrete Aktivitäten
- kleine, machbare Meilensteine
- realisierbare Kooperationsprojekte
- gemeinsame Umsetzung und
- regelmäßige Information aller Partner*innen per Protokolle oder Info-Mail.
Hinweis
Weitere anschauliche Erfahrungen zur Nachhaltigkeit dokumentieren sich in den Projekten, die vom Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit bereits als Good Practice-Projekte ausgezeichnet wurden. Beispiele können über die Projektdatenbank recherchiert und abgerufen werden.