11.12.2024
Immer noch großes Tabuthema, besonders bei Männern
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland kennt das Gefühl der Einsamkeit. Rund 60 Prozent leiden im privaten Umfeld häufig, manchmal oder selten unter diesem negativen Gefühl. Für vier Prozent ist Einsamkeit sogar ein häufiger Begleiter, 13 Prozent geben an, manchmal das Gefühl von Einsamkeit zu haben, 41 Prozent zumindest selten. Das ist ein Ergebnis des Einsamkeitsreports 2024 der Techniker Krankenkasse (TK), der heute in Berlin vorgestellt wurde.
Besonders jüngere Menschen leiden unter Einsamkeit
Besonders jüngere Menschen sind von Einsamkeit betroffen. In der Gruppe der 18 bis 39-Jährigen geben 68 Prozent an, sich häufig, manchmal oder selten einsam zu fühlen. Abgesehen von der Häufigkeit scheinen die Jüngeren unter diesem Gefühl auch deutlich mehr zu leiden. 36 Prozent der 18 bis 39-Jährigen sagen, dass sie das Gefühl der Einsamkeit sehr stark bzw. eher stark belastet. Bei den älteren Altersgruppen zwischen 40 und 59 Jahren sowie der Generation 60 plus sind es jeweils nur 19 bzw. 21 Prozent.
Chronische Einsamkeit geht auf die Gesundheit
Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: "Chronische Einsamkeit kann auf Dauer körperlich und psychisch krank machen. Darüber ist sich die Forschung einig. Darum ist das Thema für uns als Krankenkasse auch so wichtig." Diese Erkenntnisse werden auch durch die Ergebnisse der Forsa-Befragung im Auftrag der TK unterstützt, die in eine ähnliche Richtung weisen, auch wenn kein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden kann. Knapp ein Viertel (23 Prozent) der Befragten, die sich häufig oder manchmal einsam fühlen, bewerten ihre Gesundheit als weniger gut oder schlecht. Bei jenen, die selten oder nie einsam sind, sind es nur 13 Prozent. Besonders psychische Belastungen werden vermehrt genannt. TK-Chef Baas: "Symptome wie Stress und Erschöpfung, Müdigkeit, gedrückte Stimmung sowie Schlafstörungen treten bei einsamen Menschen deutlich häufiger auf."
"Ich möchte niemandem zur Last fallen" - Einsamkeit immer noch ein Tabuthema
Der Report zeigt auch: Einsamkeit ist immer noch ein großes Tabuthema, besonders bei Männern. Nur 22 Prozent der männlichen Befragten, die das Gefühl der Einsamkeit kennen, geben an, dass sie zumindest manchmal mit anderen Menschen darüber reden. Bei den Frauen sind es 40 Prozent. Jeder dritte Mann (33 Prozent) und jede fünfte Frau (20 Prozent) haben sich sogar noch nie jemandem anvertraut. Als Gründe geben 58 Prozent der Betroffenen, die nicht darüber sprechen, an, niemandem zur Last fallen zu wollen. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) glaubt nicht, dass es hilft, sich jemandem anzuvertrauen und 29 Prozent sagen, es sei ihnen unangenehm ihr Einsamkeitsgefühl zuzugeben. "Umso wichtiger ist es, Einsamkeit aus der Tabuecke herauszuholen und miteinander in den Austausch zu kommen. Denn es kann jede und jeden treffen - über alle Altersgruppen hinweg. Mit dem Report wollen wir das Thema in die Öffentlichkeit rücken und dafür sensibilisieren", so Baas.
Mit Angebotslandkarte gegen Einsamkeit
Eine Möglichkeit für Menschen, die sich einsam fühlen und sozialen Anschluss suchen, ist die digitale "Angebotslandkarte" des Kompetenznetzes Einsamkeit(KNE). Das Kompetenznetz ist eine Initiative, die sich mit den Ursachen und Folgen von Einsamkeit wissenschaftlich auseinandersetzt und Präventionsmaßnahmen bündelt und die Kommunikation dazu vorantreibt. Dr. Janosch Schobin, Soziologe an der Universität Göttingen und Experte im Kompetenznetz: "Wir verfügen in Deutschland bereits über ein großes Angebot für Menschen aller Altersgruppen, um in den sozialen Austausch zu kommen. Von Nachbarschaftstreffs, über Online- und telefonische Beratungsstellen bis hin zu Mehrgenerationenhäusern." Doch seien diese Angebote den Wenigsten bekannt. Durch Eingeben der Postleitzahl und weiterer Parameter findet jeder und jede ein passendes Angebot in der Nähe. "Ziel ist es", so Schobin, "Angebote und Nachfrage noch besser zu vernetzen und bekannt zu machen."
Niedrigschwellig: Kontakte knüpfen beim Spaziergang
Eines dieser Angebote sind die Frauenspaziergänge "Girls Talking & Walking", die nach amerikanischem Vorbild mittlerweile in vielen deutschen Städten angeboten werden. Unverbindlich und kostenfrei kommen hier Frauen zusammen, die eines verbindet: Sie alle sind auf der Suche nach neuen Kontakten. Vivien Eller, Initiatorin der Frauenspaziergänge in Frankfurt am Main: "Wir wollten einen Ort schaffen, an dem die Beziehung der Freundschaft im Vordergrund steht. Denn Menschen, die einen im Leben begleiten, wünscht sich wahrscheinlich jeder und jede." In den Gesprächen merkt sie auch immer wieder, wie tabuisiert das Thema Einsamkeit noch ist. "Allein oder einsam sein ist für viele etwas Komisches, etwas Schlechtes. Ich hoffe, dass wir dabei helfen können, dieses Stigma abzubauen."
Zitiert nach einer Pressemitteilungder Techniker Krankenkasse (TK) vom 11.12.2024