15.04.2025
Die Europäische Kommission hat heute den Wirkstoff Lecanemab (Handelsname: Leqembi) zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit im frühen Stadium zugelassen. Damit wird es erstmals in Deutschland eine Alzheimer-Behandlung geben, die ursächlich an einer der möglichen Krankheitsursachen angreift. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten. Bisherige Alzheimer-Medikamente wirken nur symptomatisch. Eine Heilung bringt Leqembi jedoch nicht, sondern verlangsamt das Fortschreiten der Erkrankung um einige Monate.
„Es ist gut, dass die Patientinnen und Patienten jetzt Klarheit haben. In Deutschland wird es damit zeitnah eine weitere Behandlungsoption für die Alzheimer-Krankheit geben. Allerdings ist das nicht der Durchbruch, den sich Erkrankte und Angehörige wünschen. Leqembi kann die Alzheimer-Krankheit nicht heilen, sondern nur den Verlauf um einige Monate verzögern und das nur bei einer kleinen Gruppe von Erkrankten. Bei der Behandlung können mit Hirnblutungen und Hirnschwellungen potentiell schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten. Deshalb ist es wichtig, dass nur die Patientinnen und Patienten mit dem Medikament behandelt werden, die dafür ein geringeres Risiko haben. Das sind Erkrankte, die nicht zwei Kopien des Alzheimer-Risikogens ApoE4 tragen“, erklärt Dr. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin Wissenschaft der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative.
Für wen ist Leqembi geeignet?
Leqembi ist zugelassen für Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment MCI) bei Alzheimer-Krankheit oder im Frühstadium der Alzheimer-Demenz.
Bei fortgeschrittenem Alzheimer-Stadium und für Erkrankte mit anderen Demenzen ist Leqembi nicht geeignet. Da die Behandlung zeitintensiv und mit aufwändigen Untersuchungen verbunden ist, müssen Patientinnen und Patienten außerdem noch mobil und ausreichend belastbar sein.
Profitieren auch Frauen von Leqembi?
Unklar ist bisher, ob und wie sehr Frauen von einer Leqembi-Behandlung profitieren. Ein Anhang zur Leqembi-Studie zeigt einen großen Unterschied bei der Wirksamkeit zwischen Frauen und Männern. Während der Krankheitsverlauf bei Männern durchschnittlich um 43 Prozent verlangsamt werden konnte, waren es bei Frauen nur 12 Prozent. In weiteren Studien muss deshalb dringend erforscht werden, was die Gründe dafür sind. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.
Welche Untersuchungen werden durchgeführt?
Ob eine Behandlung in Frage kommt, muss individuell gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin entschieden werden. Dabei kommen voraussichtlich unter anderem folgende Untersuchungen zum Einsatz:
- Nervenwasseruntersuchung und Bildgebung: Um die schädlichen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn nachzuweisen wird entweder eine Nervenwasseruntersuchung oder eine spezielle Bildgebung durchgeführt.
- Gentest: Durch einen Bluttest wird überprüft, ob keine oder maximal eine Kopie des ApoE4-Gens vorliegt. Menschen mit einer doppelten Kopie sind von der Behandlung ausgeschlossen, da das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen zu groß ist.
Wie läuft die Behandlung ab?
Weil die Therapie nur im frühen Stadium wirksam ist, müssen die Patientinnen und Patienten möglichst frühzeitig diagnostiziert werden. Die Behandlung kann voraussichtlich nur in Unikliniken und spezialisierten Fachpraxen durchgeführt werden, die die nötige Expertise und technische Ausstattung haben.
- Verabreichung des Medikamentes: Leqembi wird alle zwei Wochen intravenös als Infusion gegeben. Die Verabreichung selbst dauert ca. 1 Stunde. Wie lange Leqembi verabreicht werden muss, ist noch unklar. Bei den Zulassungsstudien wurden die Testpersonen 18 Monate lang mit dem Wirkstoff behandelt.
- Überwachung der Behandlung: Um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Hirnblutungen frühzeitig zu erkennen, sind regelmäßige MRT-Untersuchungen vorgesehen – insbesondere vor der 5., 7. und 14. Dosis. Bei Auftreten von schwerwiegenden Nebenwirkungen muss die Behandlung ausgesetzt werden.
Das Zulassungsverfahren von Leqembi hatte sich zuvor verzögert. Zunächst hatte der zuständige Ausschuss der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA im Juli 2024 gegen eine Zulassung votiert, mit der Begründung, dass die Wirkung von Lecanemab die potentiell schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht aufwiege. Diese Empfehlung hatte der Ausschuss im November 2024 revidiert und sich für eine Zulassung ausgesprochen. Anders als erwartet war die Europäische Kommission dieser Empfehlung aber zunächst nicht gefolgt. Stattdessen hatte die Kommission den EMA-Ausschuss mit einer erneuten Beratung beauftragt, um noch offene Fragen zum Wirkstoff zu klären. Nachdem der Ausschuss daraufhin seine Zulassungsempfehlung erneut bestätigt hatte, hat die Europäische Kommission den Wirkstoff jetzt zugelassen. Donanemab (Handelsname Kisunla), ein ähnlich wirkender Alzheimer-Antikörper, bekam Ende März wegen zu hoher Nebenwirkungen überraschend keine Zulassungsempfehlung vom EMA-Ausschuss.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) vom 15.04.2025